Der Mensch, das Gewohnheitstier
Ist es eigentlich schwer, ein Leben ohne Verschwendung und unnötigem Müll zu führen?
Ich würde sagen, nicht grundsätzlich, in unserer Gesellschaft allerdings schon. Wir Leben in einer Umgebung der Verführung und grenzenlosen Verfügbarkeit. Alles was wir haben wollen können wir uns kaufen und ständig werden in uns neue Begehrlichkeiten erzeugt. Überall Schaufenster, überall Werbung, attraktive Menschen präsentieren uns, wie wir uns besser fühlen können wenn wir nur dies tragen und dies besitzen. Selbst unter Freunden drehen sich die Gespräche nicht selten darum, was wer für wie wenig Geld mal wieder alles gekauft. Da ist schon ein starker Wille gefragt und nicht selten eben auch Verzicht von Dingen, die für viele eine Selbstverständlichkeit sind. Die paar Vegetarier unter euch kennen das schon. Man sitzt in gemütlicher Runde neben den brutzelnden Grill, eine Wurst nach dem anderen wird verdrückt, dann kommen die Steaks und schließlich die Aussage: Also kein Fleisch essen? Nein, darauf könnte ich nicht verzichten.
Interessanterweise hat das weniger etwas mit können, als mit wollen zu tun. Auch ich esse sehr gerne Fleisch, entscheide mich aber meistens bewusst dagegen. Ich würde mich aber nicht als über die Maßen willensstark bezeichnen, gerade was das Essen angeht. Ich habe diesen Weg auch nicht von heute auf morgen eingeschlagen. Wenn mir jemand damals gesagt hätte:`Ab morgen bist du Vegetarier´, hätte ich womöglich auch Panik bekommen. Glücklicherweise weiß ich mir immer wieder eine wundervolle menschliche Fähigkeit zunutze zu machen. Die Fähigkeit der, Gewöhnung an alles.
Der Mensch gewöhnt sich wirklich an alles. Wer sehr viel Zucker ist, hat ein hohes Bedürfnis nach Süßem. Jedes Jahr nach der Weihnachtszeit muss ich das aufs neue feststellen; Wer viel Sport macht, der braucht Sport, wer keinen Sport macht, für den ist es eine Qual; Wer jeden Tag Fleisch ist, der kann es sich nicht vorstellen, nur einmal die Woche ein Stück zu bekommen. Wer sich dran gewöhnt hat, dem wird es nicht weiter auffallen. Und so war es auch bei mir.
Ich habe meinen Konsum langsam reduziert, erst immer weniger gekauft und nur noch in Gesellschaft mitgegessen. Mittlerweile bin ich auch dort standhaft. Bei meiner Großmutter viel es mir wohl am schwersten abzulehnen. Denn wirklich fies wird es, wenn es nicht mehr nur um den eigenen Willen geht, sondern Mitmenschen das eigene Handeln persönlich nehmen. Aber auch in ihrem hohen Alter hat sie sich mittlerweile dran gewöhnt und ist nur hin und wieder überrascht, das Schinken auf Fleisch sein soll.
Die Versuchung, ständig neue Dinge haben zu wollen, umgehe ich relativ leicht, indem ich konsequent kein Fernseh gucke, keine Frauenzeitschriften lese, Shoppingmals meide und versuche mich mit Freunden auf andere Themen als materielle Dinge zu konzentrieren. Anfangs war mir das durchaus unangenehm, statt der Wurst immer bloß die Extrawurst in Anspruch zu nehmen und habe versucht gewissen Situationen gänzlich aus dem Weg zu gehen. Mittlerweile stehe ich dazu, denn nur weil alle etwas tun, muss das noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Im Restaurant genieße ich es mittlerweile richtig, 80 % der Speisekarte nicht in die Entscheidungsqual mit einbeziehen zu müssen und beschränke mich nur auf den vegetarischen Teil zu beschränken.
Mittlerweile haut mich der Geruch von frisch gegrillten Würstchen auch nicht mehr um, genauso wenig wie die alte Leier, die spätestens nach dem Steak ansteht.