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Schwindende Bodenfruchtbarkeit

Spätestens seit ich selbst einen Unverpackt Laden habe, der auch Biozertifiziert ist, beschäftige ich mich nicht mehr nur mit dem Thema Zero Waste, sondern vor allem auch mit Landwirtschaft. Denn wenn ich eines gelernt habe, hat Verpackung zwar eine nicht zu verachtende Auswirkung, viel wichtiger ist jedoch, was in der Verpackung steckt. Also wie die Lebensmittel angebaut werden. Welche Unterschiede es da gibt, welche Vor- und Nachteile lasse ich hier mal den Robert erzählen:

Ein Gastbeitrag von Robert Brungert von Leidenschaft-Garten

Der Ackerbau ist ein Segen für die Menschheit, er ermöglicht das sesshafte Leben und damit den technischen Fortschritt. Ackerbau ist von den verfügbaren Böden und deren Bodenfruchtbarkeit abhängig. Leider mindert unsere konventionelle Landwirtschaft die Bodenfruchtbarkeit. Auf den meisten Flächen ist es ein langsam schleichender Prozess, der das Agrarland auf lange Sicht vernichtet. Diese gesamte Entwicklung setzt CO² frei, welches den Klimawandel antreibt, der wiederum in vielen Regionen zur schwindenden Bodenfruchtbarkeit beiträgt.

Die meisten wissen bereits, dass humusreiche Schwarzböden zu den fruchtbarsten Böden überhaupt gehören. Sie wissen auch, dass Humus aus verrottendem Pflanzenmaterial besteht. Die Humusbildung ist in der Natur oder auf Wiesen also ein langsamer und stetiger Prozess. Was aber ist der entscheidende Faktor für Humus und Schwarzerde? Kohlenstoff!

Es sind Kohlenstoff und Kohlenstoffverbindungen, die unsere Böden fruchtbar machen. Kohlenstoff ist als Pflanzenkohle auch das Geheimnis der Terra Preta. Diese Pflanzenerde der südamerikanischen Eingeborenen besteht aus Dung und organischen Resten.

Das alles zieht mit Holzkohle oder wird verkohlt und auf die Flächen verteilt. Die Pflanzenkohle hat ähnlich wie ein Schwamm für Wasser eine sehr hohe Aufnahmefähigkeit für Nährstoffe. Mit diesen muss sie sich zuerst sättigen. Dann aber können die Pflanzenwurzeln die benötigten Nährstoffe herauslösen. Pflanzen brauchen Kohlenstoff für Fotosynthese, welchen sie meist der Luft entziehen. Der Kohlenstoff im Boden ist hingegen für das Nährstoffmanagement und damit die Bodenfruchtbarkeit entscheidend.

Sauerstoff löst Kohlenstoff aus den Böden

Sauerstoff ist ein reaktionsfreudiger Stoff, der sehr gerne und schnell Verbindungen mit anderen Stoffen eingeht. Sauerstoff verbrennt mit Kohlenwasserstoff-Verbindungen zu CO² und H²O. Rost oder organische Zersetzung sind weitere Reaktionsarten. 

Werden Böden in der Landwirtschaft bearbeitet, findet häufig ein Lüften des Bodens statt. Sauerstoff gelangt an die unteren Schichten, welche nach oben kommen. Dieser reagiert durch Zersetzung mit dem Kohlenstoff, jedes Mal geht ein kleiner Teil des Kohlenstoffes als CO² in die Luft über.

Neben der Erosion durch Luft, Wasser, Wind und der Versalzung durch übermäßiges Düngen ist dieses Lüften des Bodens ein wichtiger Faktor der Bodenerosion. Zugleich ist diese Bodenbearbeitung fast immer zugleich die Voraussetzung für Erosion durch Luft, Wasser und Wind.

Arobe und anarobe Zersetzung

In den heute typischen Monokulturen haben es einige Unkräuter leicht. Die Bauern sollen aber nicht so viel Spritzmittel verwenden. Lange bevor es diese Spritzmittel überhaupt gab, etablierte sich der Pflug. Dieser wendet die obere Bodenschicht. Das auf den Boden geflogene oder heruntergefallene Saatgut wird untergepflügt und geht in der kommenden Kulturfrucht nicht mehr auf. Aber auch die Reste der vorherigen Kulturfrucht sind unter der Erde und stören nicht bei der nächsten Aussaat. Eigentlich eine gute Sache, um den Einsatz von Spritzmittel zu vermindern.

Heutige Pflüge wenden eine so dicke Schicht, dass organische Reste sich anarobe zersetzen. Die Zersetzung findet also unter Sauerstoffabschluss statt. Dieses bedeutet leider, dass sich kein Humus bildet. Die entscheidenden Bodenbakterien und wichtigen Kleinlebewesen, welche für die Bodenfruchtbarkeit sorgen, arbeiten nur arob. Deswegen sind nur die oberen cm des Bodens für die Bildung von Humus und Bodenfruchtbarkeit entscheidend, die Böden wachsen über Jahrhunderte. Genauso schmelzen sie durch das Lüften der oberen Schicht über Jahrhunderte wieder dahin, in vielen Regionen auch innerhalb von Jahrzehnten.

Nur die arobe Zersetzung bindet also den entscheidenden Kohlenstoff im Boden durch Humusbildung, die wiederum die Bodenfruchtbarkeit verbessert und zugleich dem Klimawandel CO² entzieht.

Oberflächenbearbeitung

Das Pflügen ist nur die extremste Form der Bodenbearbeitung. Es gibt außerdem verschiedene Techniken für die Oberflächenbearbeitung. Es gibt Eggen, Grubber, Hacken, Fräsen und andere Geräte, die den Boden je nach Situation bearbeiten sollen.

Solange nur die oberen cm des Bodens vermischt oder bewegt werden, ist das Lüften weit weniger bedenklich. Doch die Flugsaat der Unkräuter bleibt an der Oberfläche und geht auf. Dieses ganze Unkraut nimmt den Kulturpflanzen Licht, Wasser, Nährstoffe und Platz sowie es häufig die Ernte erschwert.

Direktsaat

Das Säen auf dem unbearbeiteten Boden nennt sich Direktsaat. Mit dieser Technik kommt am wenigsten Sauerstoff in den Boden.

Leider dient das Pflügen oder auch der Tiefenpflug auch zur Auflockerung der Böden. Durch die schweren Landmaschinen findet eine schleichende Bodenverdichtung statt, weswegen viele schwere Landmaschinen heute bereits auf Gummiketten laufen. Wer auf das Pflügen verzichtet und mit Direktsaat arbeitet, müsste zugleich auf schwere Landmaschinen verzichten. Es würde außerdem helfen, Hülsenfrüchtler anzubauen, welche tief in den Boden wurzeln und diesen dadurch auflockern.

Direktsaat ist aus weiteren Gründen schwierig: Die Reste der Vorfrüchte können genauso wie das Saatgut diverser Unkräuter das Aufgehen und Heranwachsen der Kulturfrüchte behindern. Es kommt dabei immer darauf an, was vorher auf dem Feld stand und als Nächstes wachsen soll. Theoretisch könnte ein Stoppelfeld auch niedergebrannt werden, wären nicht vielleicht andere Felder durch Funkenflug gefährdet.

Direktsaat ist also gar nicht so einfach, dennoch arbeiten bereits einige gewissenhafte Landwirte damit. Das Saatgut wird teils auf die Felder aufgestreut oder unter den Boden eingesetzt. Dazu braucht nur eine Scheibe in den Boden schneiden und diesen etwas zur Seite anheben. Das Saatgut wird in diese Furche gegeben, die sich sofort wieder schließt. Mit dieser Technik wird nicht nur gesät, sondern auch gedüngt. Das sogar in der konventionellen Landwirtschaft, die viele Probleme bereits erkennt, aber noch nicht richtig umdenken will.

Untersaat

Die eigentliche Kulturpflanze wächst höher und lässt nur wenig Licht an den Boden. Parallel mit der Saat oder etwas später wird die Untersaat gesät. Es handelt sich um einen Bodendecker wie Rotklee oder um eine Pflanze, die sich erst entwickelt und dann in die Höhe geht. Es kann sich also auch um eine Kleegras-Wiesen-Mischung handeln.

Die Untersaat wächst zuerst spärlich. Doch nach der Ernte der eigentlichen Kulturpflanze ist der Bodendecker bereits vorhanden und kann die Fläche direkt übernehmen und gegen Erosion schützen. Rotklee würde als Hülsenfrüchtler sogar Stickstoff im Boden bindet und damit den Dünger für die eigentliche Kulturpflanze liefern.

Untersaat eignet sich für jede gängige Getreideart, vor allem für Winterweizen, Wintergerste und Sommerhafer. Es wird lediglich etwas weniger Getreide ausgesät.

Neben dem Schutz vor Erosion oder der schnellen Folgeernte ist der Hauptnutzen der Untersaat die Unkrautvermeidung: Wo schon etwas wächst und den Boden beschattet, kann Unkraut schlechter aufgehen. Untersaat ist deswegen eine entscheidende Technik für ökologische und nachhaltige Landwirtschaft.

Weidewirtschaft

Nicht einmal mit der heutigen Weidewirtschaft verzichten konventionelle Landwirte auf die Bodenbearbeitung. Sie lassen die Tiere im Stall und säen spezielle Gassorten, welche sie zu Silage verarbeiten. Nur Wiesen am Hof oder unwirtschaftliche Flächen bleiben noch echte Weideflächen mit ursprünglichen Gräsern, Kräutern und Unkräutern. Manche Unkräuter können leider einigen der Weidetieren Magenschmerzen bereiten. Das macht die ursprüngliche Weidewirtschaft also etwas anspruchsvoller.

Weideflächen waren vor den Zeiten der Kunstdünger vor allem auf kargen Flächen typisch. Auf mageren Böden hat sich die Bodenbearbeitung und das Saatgut nicht bezahlt gemacht. Mit heutigen Kunstdüngern ist fast dieselbe Ertragsmenge möglich, solange der Boden nicht viel zu trocken oder nass ist.

Der Wert einer Weide kommt gegen ein gepflügtes Feld heute also nicht mehr mit. Dabei sind gerade Weiden perfekt für die schonende Bodennutzung. Sie lassen sich zudem im Sinne der artgerechten Tierhaltung für Schweine, Schafe, Kühe oder auch Hühner als Freilauf einsetzen.

Kein anderes Nutztier wurde durch die landwirtschaftliche Industrialisierung so auf Leistung optimiert, wie unsere Haushühner. Gerade die Käfighaltung der Legehennen bewegte viele Menschen, sich mit der konventionellen Landwirtschaft auseinander zu setzen. Guter Wille zum Umdenken ist also bei vielen bereits vorhanden, scheitert aber immer wieder an der Wirtschaftlichkeit.
Es entstehen glücklicherweise bereits Konzepte, von denen sich einige durchsetzen werden.

Demnach brauchen Weidetiere im Hochsommer eine Schattenstelle und Hühner brauchen zudem Deckung. Wie es einst üblich war, stehen auf vielen Weiden wieder ein paar Bäume am Rand oder auf offener Fläche. Genau diese Bäume und Sträucher können Nutzgehölze sein, welche Früchte tragen oder einen Holzertrag liefern und dadurch den Ertrag der Fläche steigern.

Böden und Bodenfruchtbarkeit erhalten

Noch haben wir so viel Ackerland, dass es für die Viehhaltung und sogar Biodiesel und die Biogasanlage reicht. Das aber nur, weil wir bislang mehr Ackerland dazugewinnen konnten, als durch Erosion verloren ging. Genau diese Zeit ist inzwischen vorbei, weswegen die EU bereits 2009 die Subventionen für Flächenstilllegungen einstellte.

Im jetzigen Moment ist es also noch möglich, Nahrungsmittel im Überfluss zu produzieren. Das wird aber vermutlich wegen steigender Nachfrage und voranschreitender Bodenerosion nicht mehr lange so bleiben. Die sofortige Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft ist deswegen dringend notwendig. Die Umsetzung dieser Systemfrage ist weniger eine Aufgabe für überschuldete Landwirte als für amtierende Politiker.

Wie ihr vielleicht in meinen Beiträgen bereits herausgelesen habt, bin ich jedoch immer auch für Eigenverantwortung. Natürlich hat die Politik die größten Hebel, die Politik fängt in der Regel aber auch immer erst an, sich zu bewegen, wenn der Druck groß genug ist. Deshalb finde ich es genauso wichtig, dass wir uns nicht hinter irgendwelchen fehlenden politischen Entscheidungen verstecken, um nichts tun zu müssen, sondern selbst aktiv werden und unsere eigene Ernährung konsequent auf Bio umstellen. Ja, das ist teurer, aber die meisten Menschen können sich das tatsächlich leisten, wenn wir nur weniger Geld für Konsumgüter und Einwegprodukte ausgeben. Erfreulicherweise kann ein Lebensstil nach Zero Waste eine Menge Geld einsparen, die wir dann für gute enkeltauglich produzierte Lebensmittel ausgeben können.

2 Kommentare

  • Elisabeth

    Gemeinsam mit meinem Partner gehen wir auch großteils nur noch in Unverpackt-Läden einkaufen. Dabei ist uns allerdings letztens eine sehr wichtige Frage aufgefallen. Irgendwo muss alles ja auch herkommen. Wie sieht es also bei der Transportverpackung aus? Gibt es da wiederum besondere, grüne Handhabe?

    • Olga

      Sehr viele unserer Produkte erhalten wir in Papierverpackungen. Die lassen sich gut recycelt und bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, im Gegensatz zu Kunststoff.
      Außerdem arbeiten wir viel mit Mehrwegverpackungen, die gespült werden.
      Dort wo beides nicht möglich oder sinnvoll ist, halten wir zur Zeit für die beste Lösung Kunststoffverpackungen zu verwenden, die auch wirklich recyclebar sind. Also Monomaterialien die unbedruckt, nicht vernäht und nicht schwarz sind. Viele unserer Verpackungen erfüllen das bereits, aber leider noch nicht alle.

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