Tante Olga – Die ganze Geschichte
Das Gemunkele um Kölns 1. Unverpackt Laden soll endlich ein Ende haben. Hier die ganze Geschichte.
So fing alles an
Gregor und ich leben schon lange in dem Bestreben, den von uns produzierten Müll so weit es geht zu reduzieren. Das fällt uns auch nicht weiter schwer. Nur bei trockenen Lebensmitteln bietet uns das Angebot im Bioladen bisher keine Lösung. Alles ist bis zur Unkenntlichkeit in Plastik verpackt. Wir entscheiden uns also dazu Lebensmittel in großen Säcken einkauften und mit Freunden zu teilten. Das Verhältnis von Verpackung zu Inhalt ist besser und auch Papierverpackungen sind meistens kein Problem. Eine Zeit lang läuft das prima, aber mit der Zeit stört uns immer mehr, dass unsere Wohnung zu einem Großlager verkommt und das minimalistische Leben, was wir so anstreben unter lauter Säcken und Tonnen begraben wird.
Aus dem Traum wird Wirklichkeit
Wir spinnen rum, ob man die Abfüllstation nicht auslagern kann und somit auch für noch mehr Menschen zugänglich machen kann, als Anfang des Jahres plötzlich das Ladenlokal der alten Bäckerei Heilinger schräg gegenüber unserer Wohnung leer steht. Kurzentschlossen wie mein Gregor ist, ruft er den Vermieter, die GWG, an und bewirbt sich als Nachmieter. Viele Wochen später, wir sind gerade im Urlaub, kommt dann endlich die Nachricht: Ihr könnt das Ladenlokal haben. Großer Freude folgt sehr schnell große Panik, denn das bedeutete nun, nicht mehr nur träumen, sondern tatsächlich auch machen. Ganz nebenbei bin ich gerade auch noch hoch schwanger. Mir kommt zwar der Gedanke, dass das Projekt mit Baby eine Nummer zu groß sein könnte. Da ich mein Leben aber bisher mit so viel unwichtigem Kram verplempert habe, muss es halt jetzt alles auf einmal sein.
Wir spielen alle Möglichkeiten durch, wie wir Lebensmittel unverpackt anbieten können, ohne sechs Tage die Woche ein Ladenlokal besetzten zu müssen. Wenn wir es schaffen in der Gemeinschaft, die Miete des Ladenlokals zu tragen, so stellen wir uns zwei Tage die Woche ehrenamtlich hinein und verteilen. Der Gedanke der Einkaufsgemeinschaft ist geboren wir werben fleißig für Mitgliedschaften. Viel Information können wir zu dem Zeitpunkt nicht geben und trotzdem fliegen uns die unterschriebenen Anträge nur so ins Haus, mit samt Dankesschreiben und Hilfsangeboten jeglicher Art. Wir sind überwältigt, von so viel Vertrauen und dem dringenden Wunsch so vieler Menschen ihren Hausmüll und damit ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und planen weiter.
Und dann kam Dinah
Je tiefer wir in die Planung einsteigen, desto weniger glauben wir daran, das Projekt alleine zu schaukeln und suchen nach Verstärkung. Schnell finden wir Menschen, die ein solches Projekt ebenfalls gründen wollen und sind auch bald zu Dritt. Aber Sicherheiten und Businesspläne können wir nicht bieten. Wir wollen uns weder den Bürokratischen Hürden stellen, noch von einer Bank abhängig sein. So sind wir schon bald wieder zu zweit.
Da war doch so ein motiviertes Mädchen in einem unserer Workshops, die unbedingt etwas vernünftiges aus ihrem Leben machen wollte. Ich wage es nicht Dinah am Telefon so eine wahnwitzige Frage zu stellen und so lade ich sie per SMS ein, in unser Team mit einzusteigen. Entgegen meiner kühnsten Vorstellungskraft lässt sie alles stehen und liegen, steigt und ist sofort mit vollem Herzen und all ihrer Zeit dabei. Ihr Mut sich zu 100 % darauf einzulassen ohne jede Sicherheit, nur mit dem festen Glauben an das Gute im Menschen und das Gelingen des Projektes überwältigt mich seit dem.
Berlin und die neue Dimension
So ist es auch Dinah, die uns kurzer Hand für ein Crowdfundingstipendium bewirbt und gewinnt. Wenig später fahren wir zusammen nach Berlin, um ein Wochenende lang zu lernen, wie man ein Crowdfunding erfolgreich absolviert. Voller Tatendrang und total motiviert zurück, machen wir uns ans Werk unser Crowdfunding zu planen. Mit Unterstützung von Nik, Atha und Philip, der mit Tuetenlos, vor einem Jahr den 1. Anlauf für einen Unverpackt Laden machte, drehen wir in kürzester den Film für die Kampagne, einigen uns auf einen Namen, entwerfen das Logo, bereiteten die Geschenke für die Spender vor und starteten Anfang Juni das Crowdfunding. Einen ganzen Monat soll es laufen und 48.000 Euro sind das Ziel. Und so sind wir einen Monat lang unterwegs auf Wochenmärkte, Straßenfesten und Veranstaltungen, um uns bekannt zu machen. Zwei weitere Engel fallen aus dem nichts in Form von Melvin und Aline, die immer wieder mit uns auf der Straße stehen. Es kommt einem Krimi nahe..schaffen wir es nicht bis zur Fundingschwelle, ist das ganze Geld weg. Ich liege mittlerweile im Wochenbett mit einem erst mal gesunden kleinen Jungen und kuriere mich aus. Fünf Tage vor Ende der Laufzeit fehlen noch gute 10.000 € und die Nervosität steigt, bis plötzlich der Zähler nicht mehr still steht und in den wenigen Tagen das gesamte Geld zusammen kommt. Wir liegen uns heulend in den Armen vor Freude.
Die Arbeit beginnt
Das Geld ist auf dem Konto, oder zumindest ein Teil davon, denn nach Abzug von Steuern und Geschenken, bleibt gar nicht mal soviel davon übrig . Mit unserem Anspruch möglichst ökologische Baustoffe zu verwenden, gebrauchte Einrichtungsgegenstände einzukaufen und dann auch noch mit dem Geld auszukommen, gehen wir an die Arbeit. Boden, Fußleisten, Möbel, Kassensystem, Lebensmittelbehälter, Lebensmittel, Nonfood Produkte, Kaffeemaschine und Kaffeemaschine, Lebensmittellager, Lampen und vieles mehr wächst Stückchen für Stückchen. Um die Kosten nicht zu sprengen baut Gregor fast alles selbst, mit Hilfe von meinem Vater und Dinahs Freund Andi. Während wir die Erfahrung machen dürfen, dass es gar nicht so einfach ist, mal eben eine Laden auf zu machen, kommen auch noch Komplikationen mit dem Neugeborenen hinzu und ich bin wiedermal einige Wochen von Bildfläche verschwunden, um jede freie Minute bei ihm im Krankenhaus im Krankenhaus zu sein.
Die Zielgerade
Wir verschieben die Eröffnung immer weiter nach hinten, während täglich Kunden und Interessierte vor der Tür stehen und es kaum erwarten können. Aber nicht nur das, auch die Helfer werden immer zahlreicher und motivierter. Judith, Katharina, Katha, Ellen und viele mehr begleiten uns auf der Zielgeraden. Am 28. Oktober steigt die interne Helferparty auf der wir endlich auch DANKE sagen können und können sogar Olgas Nachbarn für den großen Abend gewinnen. In der folgenden Woche starten wir die Probeverkäufe bis am 5. November endlich die lang ersehnte Eröffnung stattfindet. Wir freuen uns auf den Tag, wenn der enorme Druck endlich nachlässt, haben aber auch ein wenig Angst, was uns an diesem Samstag erwarten wird. Es ist Samstag der 5. November kurz vor 10 Uhr. Die ersten Kunden betreten den Laden und ab dem Moment wird es von Stunde zu Stunde voller, bis die Tür kaum noch auf geht. So viele tolle Menschen besuchen uns, beglückwünschen uns und freuen sich mit uns, bis wir irgendwann m 18 Uhr langsam die Tore schließen und erleichtert unseren erfolgreichen Eröffnungstag beenden.
Der Laden
Es ist ein richtiger Laden geworden, mit immerhin 5 Öffnungstagen die Woche, von Dienstag bis Samstag. Aber auch die Mitgliedschaft haben wir übernommen. Für 12 Euro im Monat, pro Haushalt, gibt es eine Kundenkarte und vergünstigte Preise. Das Angebot an trockenen Lebensmitteln reicht von Müsli, Reis, Hülsenfrüchten, Nudeln, Körner, Nüssen, Mehl, Stärke, Saitanpulver, Trockenfrüchten und Gemüsebrühe zu allerhand Süßigkeiten, Gewürzen, Tee und Kaffee. Wir beziehen die Produkte ausschließlich in Bioqualität, da das für uns zum ökologisch sinnvollen Einkauf dazu gehört. Dran schreiben tun wir es aber nicht, da wir bisher die Kosten einer Biozertifizierung scheuen, wie es leider vielen kleinen Erzeugern ergeht. Neben der bestehenden Kooperation mit der Solidarischen Landwirtschaft die einmal die Woche ihr frisches Gemüse verteilt, streben wir die Zusammenarbeit mit lokalen Erzeugern an, um bald auch Honig, Milchprodukte, Eier, Brötchen und ähnliches anbieten zu können. Für Vorschläge besonders auch im veganen Bereich sind wir hier sehr dankbar.
Neben dem unverpackten Lebensmitteleinkauf gibt es zudem noch ein stetig wachsendes Sortiment an Equipment für den Haushalt, damit jeder leicht Müll einsparen und vermeiden kann. Und unsere Siebträgermaschine macht leckeren Kaffee zum direkten Verzehr in unserer Schmöckerecke oder zum mitnehmen (natürlich ohne Müll). Nehmt euch Zeit euch inspirieren zu lassen und scheut auch nicht uns zu inspirieren mit euren Vorschlägen und Anregungen, Symbiosen, Veranstaltungen und Kontakten rund um das Thema Weltverbesserung.
Unser Dank
Das Projekt Tante Olga ist bis dato verrückt. Wenn ich vorher gewusst hätte was es bedeutet, hätte ich niemals damit angefangen. Gut, dass ich es nicht wusste und gut, dass man mit seinen Aufgaben wächst. Obwohl ich seit dem kaum eine freie Minute habe und auch unsere Beziehung auf eine harte Probe gestellt wurde, möchte ich es im Leben nicht rückgängig machen. Denn ganz genau wie Dinah habe auch ich immer nach einer Tätigkeit gesucht, die mich wirklich ausfüllt und mir das Gefühl gibt, etwas sinnvolles zu tun. Und nicht nur das. Ich hätte nie geahnt, wie viele tolle Menschen um mich herum wohnen, wie viele Menschen unsere Überzeugungen teilen, wie viele grandiose Bewegungen in Köln und auch bundesweit bereits im Gange sind. Für all diese Bekanntschaften, die mich tagtäglich neu inspirieren bin ich so dankbar.
Und allen von euch tollen Unterstützern, die immer noch sehnsüchtig auf ihr Crowdfunding Geschenk warten möchte ich sagen: Habt Geduld mit uns. Sie sind in der Mache und bald unterwegs. Wenn ihr im Raum Köln wohnt, nutzt auch gerne die Gelegenheit euch den Laden anzuschauen und holt euer Geschenk persönlich ab. So bleibt auch mehr von eurer Unterstützung beim Projekt und bei DHL 😉
Wie auch immer, wir freuen uns auf Euren Besuch!! Und der größte Danke gilt euch, die ihr auf welche Art auch immer mitgeholfen habt, dieses Projekt umzusetzen und euren Laden Tante Olga zu eröffnen und die Welt ein Stückchen Müllfreier zu machen … es ist nur der Anfang.
11 Kommentare
Pingback:
Tenbrink
Hallo!
Eine Super Sache!!!wohne nicht weit weg von Köln , könnte dorthin einkaufen gehen.
Was mir fehlt ist Obst und Gemüse.
Gruß
Annette Tenbrink
Olga
Das gibt es in jedem Bioladen 🙂 oder bei der Solidarischen Landwirtschaft. Solawikoeln.wordpress.com
Kim
Ich freue mich, dass es diesen Laden gibt, auch wenn ich nicht in Köln lebe. Die Blogs von Wasteland Rebel und dir haben mir geholfen, einige Entscheidungen zu überdenken und inzwischen habe ich schon teilweise in einigen Lebenslagen die Zero Waste-Grundlagen übernommen (Baustellen noch immer vorhanden). In letzter Zeit schaue ich mir gerne alte Serien an und bin irgendwann über die alten Folgen von Löwenzahn mit Peter Lustig gestolpert. Dabei habe ich eine mit dem Thema Müllvermeidung gefunden und wollte die mal hier lassen, weil ich sie so wunderbar finde.
Olga
Danke 🙂
Anke Linde
Was für ein tolles Projekt und der Mut dazu. Ich ziehe den Hut. Könnte ich meinen Mann doch auch zu einem (zumindest annähernden) Müllfreien Leben überzeugen. Macht weiter so!
Olga
Danke 🙂
Überzeugen geht leider nach meiner Erfahrung nach gar nicht. Da muss irgendwie jeder selbst auf den Trichter kommen, dass es eine gute Idee wäre. Vorleben, zeigen wie leicht es geht und welche weiteren positiven Aspekte es sonst noch hat, finden bei mir den größten Anklang.
schröder,Sandra
Bin sehr stolz auf euch,herzlichen Glückwunsch und Hut ab.LG Sandra
SaSa
Grandios! 🙂 Herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Projekt!
Katha
was für ein schöner Beitrag über eine wahre Erfolgsgeschichte! Ich freue mich, zumindest für einen Teil des Weges dabei gewesen zu sein. 🙂
Olga
Danke für deine Unterstützung !!! 🙂