Aktuelles,  Gesellschaft

Neue Vorsätze aus alten Rückblicken

Der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wohnt ein ganz eigener Zauber inne. Nicht umsonst erlangte sie die etwas verwirrende Bezeichnung „Zwischen den Jahren“. Faktisch gesehen gibt es kein -zwischen den Jahren- und doch passiert etwas besonders in dieser Woche. Die Zeit scheint auf merkwürdige Weise still zu stehen. Alles läuft langsamer und auch entspannter. Ob es nun mit besonderen Melancholie von Vergehen und Neubeginn zusammenhängt, oder einfach nur mit dem Völlegefühl der Weihnachtsschmauserei, wir werden nachdenklich. Und obwohl wir auch in dieser Zeit ganz normal gearbeitet haben, ist in mir einiges passiert…

4 Meter hohes Weihnachten

Gregor und ich und mit uns ab diesem Jahr auch der kleine Levin haben den Heilig Abend in einem für uns untypisch materiellen Umfeld verbracht. Lange haben wir gerungen, ob wir uns in so einer Gesellschaft wohl fühlen würden, beziehungsweise ob die Gesellschaft sich mit uns wohl fühlen würde. Wiedermal alleine feiern wollte aber gerade ich nicht und so haben wir der Einladung von Exfrau, Kindern und neuem Freund und spontan zugesagt.
Ein vier Meter großer, strahlender Weihnachtsbaum erhellte den Raum. Definitiv ein bezaubernder Anblick und doch könnte ich es nicht mehr übers Herz bringen mir für eine Woche im Jahr einen kompletten Baum zu fällen. Wenn ich die einzige wäre vielleicht, aber wer jetzt durch die Straßen geht wird der Tatsache gewahr, dass es sich nicht um vereinzelte Bäume handelt, denn nun liegen sie wieder aussortiert in den Straßen und warten auf ihre Abholung. Auch die Geschenke darunter trafen nicht ganz in unserer minimalistisches Herz und doch saß ich voller Freude in der Runde und genoss den Abend in vollen Zügen. Denn wenn ich eins in meinen letzten 4 Jahren Zero Waste gelernt habe, so ist es. Mit schlechter Laune und böse gucken gewinnt man keine Freunde für so einen reichen Lebensstil, nur über Toleranz, Aufklärung und Freiwilligkeit ist ein Effekt der Nachahmung von anderen überhaupt möglich. So weh mir der Gedanke an die Plastikverpackung und dessen Herkunft auch tun kann, so wenig Relevanz hat sie im Gesamtzusammenhang. Was nicht heißt, dass ich nun wieder verpackt einkaufen gehe, dass ich aber toleranter werden möchte, anderen gegenüber, die noch nicht dort sind wo ich bin. Und so möchte ich mich auch im neuen Jahr noch mehr auf die positiven Aspekte des reduzierten Lebens konzentrieren.

Und in diesem Gedanken möchte ich die wirklich wertvollen Momente dieses Weihnachtsabends in den Fokus stellen. So haben wir drei Scheidungskindern das schönste Geschenk gemacht, was man machen kann. Nämlich mit einem Weihnachtsabend an dem sie sich endlich mal nicht zwischen Mama und Papa entscheiden müssen.
Ich habe außerdem eine mich sehr inspirierende Geschenktraditionen kennengelernt, die auch mir wieder Freude am schenken geben wird – Das Briefe schreiben.
Wie wenig nehmen wir uns heute doch Zeit, uns gegenseitig mitzuteilen, was uns wirklich bewegt. Ein Brief am Ende des Jahres an jedes Familienmitglied mit absolut personalisierten Worten, gibt nicht nur Einblick in das Innerste unserer Liebsten, was im Alltag gerne auf der Strecke bleibt. Es steckt auch die Zeit und Mühe darin, die man für kein Geld der Welt kaufen kann und erlaubt es auch uns selbst, nochmal Revue passieren zu lassen, zu verzeihen und zu entschuldigen und die richtigen Worte für vergangene Situationen zu finden. Besonders schön auch für solche Menschen unter uns, denen es nicht so leicht fällt, solche Worte in den Mund zu nehmen.

Wer hätte gedacht, dass genau dieses Weihnachtsfest das wird, was ich mir von diesem Fest erwarte. Toleranz gegenüber andersartigen, Geselligkeit von Menschen, die sonst alleine gewesen wären, Erwartungslosigkeit an was auch immer kommt und somit auch keine Enttäuschungen und Freude im Herzen.

Wieder ein Jahr rum

zwl_silverster_2016Und auch die Silvesternacht konnte ich viel mehr genießen als noch im letzten Jahr. Ich werde mich zwar auch in Zukunft nicht darüber freuen, dass tonnenweise Geld und Material verbrannt wird, was letztendlich auf der Straße und in den Grünflächen liegen bleibt und werde auch weiterhin nur Zuschauer dieses Wahnsinns bleiben. Aber auch der Neujahrsspaziergang hat mich auf unterschiedlichste Weise tief berührt. Traurigkeit auf der einen Seite über den ganzen zurückgebliebenen Müll, aber auch Potential auf der anderen Seite für eine bessere Zukunft. Gregor war es, der die Parallele zog zwischen der Silvesternacht und der Ignoranz unserer Gesellschaft. Wir sind es gewohnt unseren eigenen Dreck nicht weg zu machen. Sei es die benutzte Müslischale der Kinder auf dem Küchentisch, der Müll der in die Tonne gestopft und dann vergessen wird oder eben die Silvesterraketen, Sektgläser, Flaschen und Luftschlagen, die in dieser Nacht wie selbstverständlich auf dem Boden zurückbleiben. Wir sind es gewohnt, dass früher oder später jemand kommt und alles wegräumt. Aber warum soll das eigentlich jemand anders für uns tun? Alleine wenn wir nicht nur machen, sondern auch weg-machen kann uns bewusst werden, was wir überhaupt machen. Ob man nun böllert oder nicht, wie wäre es mit einem tollen neuen Vorsatz und gleich auch einen schönen Neujahrsbrauch. Wir gehen einfach alle wieder an die Stelle zurück, an der wir gefeiert haben und räumen dort alles weg, was rumliegt.

In dem Sinne: Ein Frohes neues Jahr!!

9 Kommentare

  • Hanna

    Ein schöner Artikel, danke! Wir haben dieses Jahr mit unserer Familie eine Wunsch-und Five-Box gemacht: Jeder durfte Wünsche oder (nicht materielle) Geschenke hineintun. Dann haben wir abwechselnd die Kärtchen gezogen, vorgelesen, und wer bei der Aktion mitmachen wollte, konnte einen Spielstein von sich drauflegen.
    So darf ich nun z.B. in diesem Jahr von meinem Vater etwas über Holzbearbeitung und Knoten lernen, mit meinem Bruder mache ich einen Crashkurs im veganen Kochen, mit der ganzen Familie eine Wanderung usw… Das war sehr unterhaltsam und wir haben viele schöne Dinge zum gemeinsamen Tun vor.

    • Olga

      Oh, das klingt toll. Ich habe aber noch nicht ganz verstanden, wie es funktioniert. Wenn du dir die Mühe machen möchtest, würde es mich freuen, wenn du es nochmal genau erklärst 🙂

  • Jürgen Kremer

    Ein schöner Artikel. Auch ein wichtiger Artikel, gerade weil es auch um Tolleranz geht. Und es stimmt, was Du schreibst, man könnte auch mahnend daneben stehen und die ganze Zeit kritisieren, wie es einfacher oder eben ohne Müll funktionieren würde. Oder man kann sich freuen, so wie es gerade ist, aber gleichzeitig, ohne den belehrenden Finger zu heben auch zeigen, wie es auch funktionieren würde – nur eben ohne viel Müll. Wobei ja Kunststoff und Papier inzwischen schon fast als Rohstoffe zu bezeichnen sind, so oft werden sie teilweise recycled. Aber das ist ja auch das Ziel, dies zu tun, aber besser ist natürlich, es gar nicht zu verbrauchen. Wenn man sich manchmal vor einem Kauf fragt: Brauche ich das wirklich, oder habe ich so was ähnliches vielleicht schon zu Hause, das ich auch benutzen könnte, solange bis es dann kaput ist und erst dann kaufe ich was Neues? Das ist denke ich der größte Faktor zur Erzeugung von weniger Müll. Oder eben gebrauchte Dinge zu verwenden. Lokal suchen nach Dingen, die ein Anderer nicht mehr braucht, ich aber vielleicht schon.
    Euch noch viel Erfolg und eine gute Zeit im Neuen Jahr.

    Jürgen

    • Olga

      Nicht nur Papier und Kunststoffe sind Ressourcen, sondern alle Dinge, mit denen wir uns umgeben und alle Materialien, ob nachwachsend oder endlich sind Ressourcen, weshalb wir lernen sollten sie achtsam zu dosieren. Was das Recycling angeht muss ich den Spaß allerdings verderben. Papier kann zwar recycelt werden, die Fasern machen dass aber nur ca. vier mal mit, dann sind sie durch. Und Kunststoff kann nur zu einem sehr geringen Anteil überhaupt recycelt werden. Bei beiden Prozessen nimmt die Qualität so stark ab, dass das Material nur noch für eingeschränkte Verwendungszwecke zur Verfügung steht. So machen die meist mineralölhaltigen Druckfarben von Papiererzeugnissen einen Kontakt zu Lebensmittel nicht mehr möglich. 🙁
      Was das Einkaufsverhalten angeht, kann ich das gesagte von dir nur unterschreiben!

      • Fussel

        Noch eine Ergänzung:
        Aus DDR-Zeiten war ich es gewohnt, dass z.B. Toilettenpapier IMMER Recyclingpapier ist. Nach der Wende habe ich mit Entsetzen festgestellt, dass das im „Westen“ nicht immer so ist und man bewußt Recyclingpapier kaufen muß. Noch schlimmer ist, daß in den letzten 15 Jahren der Anteil des Recyclingpapiers beim Toilettenpapier noch weiter abgenommen hat und zur Zeit wohl weniger als 20% (!) beträgt. Seitdem achte ich wieder sehr genau darauf, nur Recyclingtoilettenpapier zu kaufen.
        Es ist doch Wahnsinn, wenn das, was notwenigerweise die letzte „Lebensstufe“ von Papier ist, gleichzeitig die erste ist…

  • frohzuseinbedarfeswenig

    Gratuliere, wie Ihr das hingekriegt habt: ein Weihnachten für Scheidungskinder ohne sich zwischen Mama und Papa entscheiden zu müssen! Schon das allein macht diesen Artikel besonders und wertvoll und un-materialistisch! Auch über alles andere hab ich mich gefreut.
    Bei uns klappt es jedes Jahr besser, mit Nichts-schenken. Freude darf aber bereitet werden, und sehr gezielte Herzenswünsche, die sich jemand einfach selber nicht leisten könnte, erfüllen ebenso. Verpackung erfolgt aber komplett ohne Neuanschaffungen, nur Bänder von früheren Geschenken und textile wiederverwendbare Verpackung. Wir hatten eine richtig minimalistische Bescherung, mit v.a. Selbsthergestelltem und ohne Müllrückstände.Die übrige Weihnachtsathmosphäre kommt vom Singen, Besuchen, ausführlich Essen, Evangelium hören usw
    Ich war mal wieder beeindruckt: es geht! Man muss nur wollen!
    Zugegeben: es hat viele Jahre gebraucht, bis wir soweit waren.
    Was Silvester angehet: da hab ich noch gar nie mitgebölltert, weil ich das schon immer kropfüberflüssig fand. Die Aktion „Brot statt Böller“ hat da ja schon lange dagegen gehalten, als man das Wort „Nachhaltigkeit“ noch gar nicht gebrauchte. Gut ist, dass heute sich immer mehr zu Zero-Waste, Nachhaltigkeit, Öko-fair etc offen stellen, sich solidarisieren und zeigen, wie überlebenswichtig es für uns als Menschheit ist.
    Weiter so!

  • ak-ut

    grossartig ! die erkenntnis, über den tellerrand zu schauen, bereichert nicht nur dich, sondern ermöglicht auch anderen, aufgeschlossener zu sein – diese toleranz wünsche ich mir für so viel mehr menschen 🙂
    lg anja

  • die Sammlerin

    In diesem Jahr hatte ich zum ersten Mal genügend Geld meine Kinder so zu beschenken, wie ich es wollte.
    Es hat mir großen Spaß gemacht, mal nicht wie ein Maikäfer zu rechnen und auch noch zu schenken, was
    gewünscht wurde. Wir sind mittlerweile zehn Personen und haben uns für nächstes Jahr eine andere Variante des Schenkens überlegt. Wir werden wichteln .
    So wird das Schenken auf für die Siebenjährige überschaubar. Muss sie nicht drei Geschwistern etwas basteln,
    sondern nur einem. Wie sie es mit ihren väterlichen Geschwistern macht, weiß ich noch nicht, das sie zwar beschenkt, aber selber nicht bedacht wird ( anderes Thema)
    Was das Briefe schreiben angeht, steht für mich fest. In diesem Jahr bekommt jeder meiner Familienangehörigen und ein paar gute Freunde Post. Zum Geburtstag. Eine Karte, ein Brief , wir werden sehen. Aber keine WhatsApp Nachrichten .

    Liebe Grüße
    die Sammlerin

    • Olga

      Wichteln. Auch eine gute Möglichkeit die Geschenkeflut zu reduzieren und für jeden einzelnen den Druck heraus zu nehmen. Gerade wenn man sieht, dass selbst bei Kindern teilweise das gesamte Taschengeld drauf geht.

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